Online Sprachlehre am German Language Center - Ein Interview mit Jacqueline Rogler
Liebe Frau Rogler,
Wie verläuft im Moment die Online-Sprachlehre am GLC? Wieviel Prozent digitale Lehre können die Mitarbeiter des GLC den Studierenden anbieten?
Seit der Abriegelung des Campus Mitte März aufgrund des von der Regierung verhängten Shutdowns führen wir alle unsere 130 Sprachkurse am German Language Center im Online-Format durch und bedienen uns einer Kombination aus Unterricht per Videokonferenz und Blended Learning- Elementen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde webbasiertes Lehren an der Hochschule zwar immer wieder thematisiert, aber die Barrieren der Umsetzung waren groß. Dann kam der Sprung ins kalte Wasser. Innerhalb kürzester Zeit musste - ministerial verordnet - der gesamte Hochschulbetrieb auf Online-Lehre umgestellt werden. Es gab strikte Anweisungen, die von den Hochschulen und deren Fakultäten entsprechend spezifiziert und zeitgerecht umgesetzt werden mussten. Da kam Vieles zusammen: die Neuausrichtung der Unterrichtsarbeit, die Auseinandersetzung mit digitalen Lernplattformen, die Frage, wie sich interaktiver Sprachunterricht didaktisch sinnvoll am Bildschirm umsetzen lässt, Freiheitsentzug durch eine absolute Ausgangssperre, Kinder in Homeschooling, Kleinkinder mit Betreuungsbedarf auch während der Videoschaltungen, instabile Internetverbindungen und der Druck, dem Ganzen gewachsen zu sein. Doch die Krise schweißte zusammen. Es entwickelte sich ein enormer Teamgeist innerhalb des knapp 60 Personen umfassenden Kollegiums am Sprachenzentrum. Kollegen erstellten Tutorien, um auch den technisch weniger Ambitionierten Schritt halten zu lassen; über Massaging-Dienste wurde sich nahezu nahtlos ausgetauscht, fachlich unterstützt und gegenseitig motiviert. “Wir begreifen die Krise als Chance und machen das möglich, was unter den gegebenen Bedingungen möglich ist“, ist seit Beginn der Online-Lehre unser Motto. Seit mehr als zwei Monaten decken wir den gesamten Kursbetrieb im Online-Format ab und halten das Semester, auch dank eines starken Hochschulmanagements, virtuell am Laufen.
Können alle normalerweise im Präsenzbetrieb stattfindenden Kurse auch digital angeboten werden? Welche Kurse / Lehrelemente werden angeboten?
Wir bieten derzeit alle sonst im Präsenzunterricht stattfindenden Kurse digital an. Das umfasst am GLC die DaF-Kurse, aber auch die verschiedenen Fachsprachenkurse, die Bewerbungstrainings und interkulturellen Trainings.
Wie funktioniert der Kontakt zwischen Lehrkräften und Studierenden? Gibt es neben den digitalen Veranstaltungen auch festgelegte digitale Sprechzeiten?
Wir arbeiten, je nach persönlicher Präferenz der Kollegen, mit unterschiedlichen Plattformen und Programmen zur Durchführung der Videokonferenzen und zur Umsetzung der Blended Learning-Aktivitäten. Die Kurse werden zusätzlich entweder aufgezeichnet, oder in anderer Form dokumentiert und den Studierenden zur Verfügung gestellt. So erhalten auch diejenigen Zugang, die aufgrund technischer Ausfälle nicht am Unterricht teilnehmen können, oder die den Vorteil des nun zeitlich flexibilisierten Lernens nutzen möchten. Zusätzlich bietet jeder Kursleiter Konsultationen an, die - nun online - den Studierenden bereits vom regulären Präsenzunterricht bekannt sind und die dazu dienen, individuell zu beraten und auftretende Probleme im Lernprozess abzufangen. Der Kontakt zwischen Kursleiter und Studierenden außerhalb des Unterrichts erfolgt über mehrere Kanäle, per E-Mail und für einen schnellen und unkonventionellen Austausch, über angelegte Gruppen in Messenger-Tools. Kollegen berichten, dass sie seit der Online-Lehre einen intensiveren Kontakt zu ihren Studierenden aufgebaut haben.
Das Team des German Language Center an der GJU
Wie ist der Ablauf bei Prüfungen / Hausarbeiten etc.? Welche Kontrollmechanismen gibt es?
Die Durchführung von Prüfungen stellt uns derzeit noch vor die größte Herausforderung. Mündliche Leistungskontrollen, auch als Paarprüfungen, können synchron in Form von Videokonferenzen abgehalten werden, bei der sich Prüfer und Geprüfte virtuell im Prüfungsraum treffen. Problematischer in Hinblick auf Kontrollmechanismen gestaltet sich die Umsetzung der schriftlichen Prüfungen. Lernplattformen mit der Möglichkeit der linearen und zeitlich begrenzten Bearbeitung von Prüfungsaufgaben, deren Inhalte zusätzlich randomisiert generiert werden, minimieren Betrugsmöglichkeiten, garantieren aber trotz allem keine absolute Sicherheit. Die Semesterleistung setzt sich daher kumulativ aus überwiegend mündlich erbrachten Leistungen innerhalb des Semesters und einer schriftlichen Abschlussprüfung zusammen.
Was sind momentan die größten Herausforderungen? Gibt es technische Schwierigkeiten?
Neben den anfangs erwähnten Hürden ist es vor allem die eingeschränkte oder fehlende direkte Interaktion mit der Lerngruppe, der gerade beim Erlernen einer Sprache eine immense Bedeutung zukommt. Synchrones Onlinelehren braucht als Voraussetzung ein Mindestmaß an Übertragungsbandbreite. Limitierte Bildraten oder der Wegfall der nonverbalen Kommunikation durch fehlende Videoübertragung erschwert die Interaktion erheblich. “Wenn die Kameras aus sind, habe ich das Gefühl, ins Nichts zu sprechen …“, „… ohne Gesichtsausdruck fehlt mir das spontane Feedback meiner Studierenden …“, äußern Kollegen. Auch der Wegfall der sozialen Komponente und der unterschiedlichen Sozialformen wird von vielen Kollegen als erheblicher Nachteil empfunden. Zwar ermöglichen einige Lernplattformen eine differenzierte Aufteilung in Lerngruppen, aber ein Sprachspiel, gemeinsam an einem Tisch durchgeführt, hat einen anderen Charakter als ein Treffen im virtuellen Klassenraum. Schwierig bei der synchronen Unterrichtsarbeit ist es auch, die lernschwachen oder Kursteilnehmer mit geringer Motivation ins Boot zu holen, denn das sind gerade die, die sich hinter abgeschalteten Kameras verstecken oder sich dem Unterricht gänzlich entziehen.
Ihre persönliche Einschätzung: Was ist der Vorteil der derzeitigen Online-Lehre? Welche Auswirkungen hat die Online-Lehre auf die Kollegen am GLC?
Ein Vorteil der derzeitigen Onlinelehre in Bezug auf das Kollegium ist darin zu sehen, dass die Barriere im Umgang mit dem Thema medienbasiertes Unterrichten durchbrochen wurde. Wir haben viel dazugelernt: technisch, didaktisch, menschlich. Der schrittweise Aufbau von Kompetenzen im Umgang mit den neuen digitalen Lehr/Lernprogrammen und der gelungene Zugang zu einer neuen Lernkultur haben ein neues Bewusstsein geschaffen. Der Teamgeist wurde gestärkt und kann als eines der tragenden Stimuli gesehen werden, dass die Herausforderungen bisher erfolgreich bewältigt wurden. Eingeschliffene Lehrmethoden in der herkömmlichen Unterrichtspraxis wurden hinterfragt und neue Wege der digitalen Umsetzung erprobt. Wir sind uns einig, dass unsere zukünftige Unterrichtsarbeit von den neuen Erfahrungen profitieren und dass der Präsenzunterricht viel stärker durch medienbasierte Elemente ergänzt werden wird.
Welche Rückmeldungen gibt es seitens der Studierenden?
Es gibt zum einen die Lerner, die die Tatsache begrüßen, dass die Unterrichtsaufzeichnungen und die Bereitstellung der Unterrichtsmaterialien im virtuellen Klassenraum ein mehrfaches, zeitlich flexibles Wiederholen ermöglichen. “Effizienter“, „komfortabler“, „Zeit und Geld sparender“, „leichterer und ortsunabhängiger Zugang zu Bildung“ sind mehrfach genannte Attribute in Bezug auf die Online-Lehre. Als vorteilhaft bewerten die Studierenden außerdem den kursergänzenden Austausch über die Messenger-Tools, der Informationen schnell und gebündelt zur Verfügung stellt und die Kommunikation innerhalb der Gruppe fördert.
Es gibt aber auch die Studierenden, die das Online-Lernen als anstrengender bewerten, die den direkten Kontakt der Präsenzphase vermissen und schlecht mit den stärker geforderten Formen des selbstregulierten Lernens umgehen können. “… The lack of face to face communication made language practicing very difficult. … “, „ … I used to exit on-campus lectures with full understanding and with a complete memory obtained through exercises and visual learning. … “, „ ... E-learning suddenly completely amplified the idea of self-learning and independence which resulted in me taking longer to comprehend and study each lecture. …“
Für zukünftige Lehr- und Onlinekonzepte muss noch stärker der Frage nachgegangen werden, wie die unterschiedlichen Lerntypen stärker berücksichtigt und wie Kompetenzen eines autonomen Selbststudiums für Lerner aus anders geprägten Lernkulturen noch besser gefördert werden können.
Was schätzen Sie - wird Corona die Digitalisierung am GLC weiter voranbringen und sollen nun neu erprobte digitale Konzepte auch zukünftig erhalten bleiben?
Die Erfahrungen aus der Krise werden unseren zukünftigen Sprachenunterricht zweifelsohne beeinflussen. Wir werden dort, wo medienbasierte Elemente dazu dienen, differenzierter zu arbeiten, die Motivation der Lernenden günstig zu beeinflussen, aber auch autonomes Lernen außerhalb des Unterrichts zu fördern, viel stärker als bisher auf digitale Arrangements zurückgreifen. Außerdem gibt es bereits strategische Überlegungen, unser Kurssystem um ein zusätzliches Angebot an vollständig digitalisierten bzw. onlinebasierten Sprachkursen zu erweitern. Diese sollen eine Zielgruppe ansprechen, die ein zeitlich und räumlich flexibilisiertes Programm benötigt, um Zugang zum Erlernen einer Fremdsprache zu erhalten. Dafür wird ein noch weiter angepasstes Konzept der digitalen Lehre notwendig werden. Dass wir die dafür erforderlichen personellen Ressourcen haben, das haben die Kollegen am German Language Center ausdrücklich bewiesen.
Liebe Frau Rogler, herzlichen Dank für das Interview!